VAKW Herbstexkursion 2020 in Schwyz

Samstag, 3. Oktober 2020

Allgemeine Wetterlage und Anreise

Nachdem der Föhnsturm nachliess, zog eine Kaltfront über die Schweiz (Westwindlage). Die vorhergehende Südföhnlage und der anschliessende Frontdurchgang führten zu so viel Niederschlag, dass MeteoSchweiz von einer extremen Wetterlage sprach.

Die A2 zwischen Beckenried und Erstfeld musste am Samstagmorgen kurzfristig wegen Hochwassergefahr geschlossen werden. Mir blieb also nichts Anderes übrig, als im Uhrzeigersinn um den Vierwaldstättersee zu fahren, was eine längere Fahrzeit nach sich zog. Zuverlässig brachten mich die SBB und das Postauto schliesslich doch nach "Schwyz, Post", als die Gruppe gerade dabei war, sich auf den Weg zum Bundesbriefmuseum zu machen.

Bundesbriefmuseum

Führung durch Frau Karin Schilter

Im Bundesbriefmuseum wurden wir warm und trocken empfangen. Frau Karin Schilter führte uns nicht nur professionell durch das Museum, sie klärte uns auch über die Mythen und Fakten der Schweizer Geschichte auf. Angefangen beim Buch Chronicon Helveticum von Aegidius Tschudi, das auf mündlichen Erzählungen aus der Zentralschweiz basiert. Tschudi hielt zum ersten Mal die Schweizer Geschichte in kreativer, schriftlicher und chronologischer Weise fest. In seinem Buch erwähnt er zum Beispiel, dass der Rütlischwur im Jahre 1291 stattgefunden habe. Dass dieses Datum hinterfragt werden kann, wurde aufgrund eines zufälligen Fundes in einem Schwyzer Steinturm, einige hundert Jahre später, öffentlich. Doch dazu später mehr.

Aegidius
Tschudi Chronicon Helveticum
Abbildung 1: Erste chronologische Sammlung der Schweizer Geschichte von Aegidius Tschudi

Statue beim
          Bundesbriefmuseum
Abbildung 2: Symbolische Statue aus derZeit des Zweiten Weltkrieges im Garten des Bundesbriefmuseums.

Die Vergrösserung der Eidgenossenschaft wurde primär mit so genannten Bündnissen vorangetrieben. Mit den heutigen Kantonen wurden Verträge abgeschlossen, um sich beispielsweise einen wirtschaftlichen Vorteil verschaffen zu können oder um militärische Allianzen zu schmieden. Nach der Schlacht bei Sempach am 3. Juli 1386, festigte sich zudem der Zusammenhalt der Eidgenossen und die Schweizer erhielten einen weit verbreiteten Ruf als furchtlose Kämpfer. Um den glücklichen Sieg gegen die Habsburger zu zelebrieren, wurde eine Erzählung über die selbstlose Aufopferung des Unterwaldner Truppenführers Arnold Winkelried bildlich festgehalten. Aus der Diskussion mit anderen Mitgliedern ergab sich, dass die Schweizer Geschichte heutzutage in der Primär und Oberstufe von Kanton zu Kanton unterschiedlich erzählt wird.

Weiter ging es mit der Ausstellung von prominenten Bildern und Persönlichkeiten aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Eine im Garten stehende Figur zeigt, wie sich der starke Eidgenosse bereit macht, um sein Land zu verteidigen.

Wir wurden anschliessend durch das Archiv einiger Bündnisse der Eidgenossen mit den heutigen Kantonen geführt. Unter Historikern wird die Entstehung der Schweiz nicht nur auf den ursprünglichen Bund zwischen Uri, Schwyz und Unterwalden reduziert, sondern die Vergrösserung der Allianzen als ebenso wichtig angesehen. Andere Kantone wie beispielsweise der Kanton Aargau traten der Eidgenossenschaft nicht ganz freiwillig bei, wie paradoxerweise im Dankesbrief für die Eroberung zu sehen ist.

Zum Abschluss wurde uns der erste Bündnisbrief zwischen den Kantonen Schwyz, Uri und Unterwalden gezeigt. Da dieser auf das Jahr 1307 und nicht auf das Jahr 1291 datiert, war dessen Fund im 19. Jahrhundert eine Sensation und wurde an der 600-Jahrfeier in Schwyz 1891 zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert. Passend dazu wurden im Hintergrund alle Mythen und Fakten künstlerisch in einem Bild vereint.

Buendnisbrief mit dem Kanton Zuerich
Abbildung 3: Bündnisbrief mit dem Kanton Zürich

Dankesbrief des Kantons Aargau
Abbildung 4: Dankesbrief an die Eidgenossen für die Eroberung des Kantons Aargau

Bundesbrief
Abbildung 5: Bündnisbrief zwischen den Kantonen Schwyz, Uri und Unterwalden

Mittagessen im Restaurant Mythen Forum Schwyz

Hungrig wurden wir mit 4 Gängen lokaler Spezialitäten verwöhnt. Nicht nur unser Verein, sondern auch das Servieren der Gänge war einwandfrei koordiniert. An meinem Tisch wurde über die Vielfalt in der Schweiz (Kantönligeist) und natürlich auch über das Wetter diskutiert. Beispielsweise über die Zuverlässigkeit des Prognosemodells der MeteoSchweiz oder die Zuverlässigkeit eines Wetterpropheten. Auch aviatisch konnte geredet werden, da viele Mitglieder Segel- oder Motorflugpiloten sind oder waren. Als alle Mitglieder aufgegessen hatten, wurden wir prompt mit Sonnenschein belohnt, was auch Peter Suter lobte.

Wetterschmöckervortrag

Herr Peter Suter (auch genannt Sandstrahler)

Der bereits 93-jährige Peter Suter ist durch seine Medienpräsenz als einer der sieben Wetterschmöcker landesweit bekannt. Ich war erstaunt, wie naturverbunden und fit der Schwyzer auch heute noch ist. Aufgewachsen ist er auf einem Bauernhof, lange vor der digitalen Revolution. Der Muotataler wurde durch seinen Vater bereits früh mit dem Handwerk eines Wetterschmöckers vertraut gemacht, da das Wetter für die tägliche Arbeit von zentraler Bedeutung war. Da man sich nicht auf die App von MeteoSchweiz verlassen konnte, beobachtete man z. B. aufziehende Wolken, Natur und Tiere. Über das Verhalten von Mäusen, Vögeln, Weinbergschnecken und Spinnen bei Aufzug einer Schlechtwetterlage könnte Herr Suter lange reden. Zudem kann er am Klang eines Steinbaches die kommenden Niederschläge vorhersagen. Wir mussten etwas schmunzeln, als uns der Sandstrahler vom ehemaligen Vereinsbeitrag von 60 Rappen für Männer und 30 Rappen für Frauen erzählte. Seine Mutter habe zwar mehr gewusst als sein Vater, sei allerdings dem Verein nie beigetreten. Bereits über 20 Mal wurde der Wetterprophet als Wetterkönig ausgezeichnet, da seine Prognosen am genauesten stimmten. Obwohl die Zuverlässigkeit der Prognosen von Peter Suter nicht mit den heutigen computerbasierten Prognosemodellen mithalten kann, ist es doch erstaunlich, welche Bauernregeln er über jahrelange Erfahrung zusammengetragen hat. Gültig seien seine Vorhersagen allerdings nur für den Kanton Schwyz und ohne Gewähr.

Wetterschmöcker Peter Suter
Abbildung 6: Peter Suter beantwortet die kritischen Fragen des Vereins mit Humor

Projekt Wettererlebnis Stoos- Muotatal

Silvan Kälin, Co-Präsident Stoos-Muotatal Tourismus

Um die Region Muotatal und den Kanton Schwyz touristisch attraktiver zu machen, wurde vor einigen Jahren ein Langzeitprojekt gestartet. Betrachtet man die Gästefrequenz pro Einwohner in Prozent, so steht die Region Stoos- Muotatal schweizweit auf Platz vier. In der Anfangsphase des Projektes zeigte sich, dass das Wetter, insbesondere die Wetterschmöcker, oft mit der Region Schwyz in Verbindung gebracht werden. So wurde im Kernteam die Vision 2020 formuliert:
 
"Den Bekanntheitsgrad der Tourismusregion und der Leistungsanbieter erhöhen durch «Wetter» als Verkaufs- und Alleinstellungsmerkmal (USP) und konsequente, nachhaltige und sympathische Umsetzung von «urig, eigen, verantwortungsvoll»".

Wetterschmöcker Peter Suter
Abbildung 7: Visualisierung der Vision des zukünftigen Tourismus

Als Reisegrund der Touristen im Kanton Schwyz wird nach "Erholung" an zweiter Stelle die "Natur" genannt. Somit wurde beschlossen, die Region mit Wetterbeobachtungsplattformen, Erlebniszentren und einem dichten Netz von meteorologischen Messstationen auszustatten. Ein Ziel des Projekts ist beispielsweise, dass das Wetter in 4D erlebt werden kann. Dabei wird in einem runden Raum mittels einer 360 Grad Projektion ein Wetterballonaufstieg simuliert. Dazu sollen Temperatur und Winde spürbar sein.

Ebenfalls interessant klang das Vorhaben, mit einem Windkanal Windgeschwindigkeiten von bis zu 120 km/h (Südföhnlage) erlebbar zu machen. Die Bevölkerung soll zudem vom dichten Messnetz profitieren, beispielsweise durch eine App, mit der alle aktuellen Wetterdaten abgefragt werden können.

Windkanal als Föhnerlebnis
Abbildung 8: Skizze des Windkanals, der Föhnstürme hautnah erleben lässt.

Um fachlich korrekt zu sein und sich als Kompetenzstelle für Meteorologie abzuheben, sind auch Hochschulen wie beispielsweise die ETH Zürich und die Ostschweizer Fachhochschule in das Projekt mit einbezogen.

Heimreise und Dank

Gekrönt wurde der Tag auf der Heimreise durch einen fast vollständig blauen Himmel. Bei einer klaren Fernsicht verblüfften die frisch verschneiten Berggipfel.

Der Grosse und der Kleine Mythen
Abbildung 9: Blick bei der Abreise auf den Grossen (rechts) und Kleinen Mythen.

Der VAKW bedankt sich bei allen Referenten und wünscht ihnen weiterhin viel Kraft, Erfolg und gute Gesundheit. Ebenfalls möchten wir den Organisatoren Pierre Kurt und Peter Albisser für die Organisation des reibungslosen Programms danken. Wir durften einen meteorologisch, geschichtlich und kulinarisch interessanten Tag im Herzen der Schweiz erleben und freuen uns bereits jetzt auf die weiteren Zusammenkünfte des Verbandes.

Text und Fotos: Jonas Küng, 4.10.2020